Save your ass – wear a helmet …
21. März 2015 - Gastbeitrag / Klettern / Unfall
… oder was man aus einem Bodensturz so lernen kann.
Am vergangenen Wochenende war es endlich soweit. Das Wetter funkelte und die Felsen in der Natur riefen zum Gipfelsturm. Die Kletterpartner waren schnell rekrutiert und die heimatlichen Felsen des Steinbachtals im Harz wurden angesteuert.
Nach zwei Routen im V-er Bereich zum „Warmklettern“ sollte es dann etwas schwerer zur Sache gehen. Der „Plattenspieler“ (VIIa) -eine Route, die ich bereits mehrfach im Vorstieg bewältigen konnte, war das auserkorene Ziel.
Bereits aus der Bodenposition heraus hatte ich den ersten Keil gelegt und mit einer Exe versehen, da das Gelände doch sehr abschüssig auf eine Straße zuführt und ich im „Falle des Falls“ nicht bis nach unten kugeln wollte. Mein Sicherungspartner hatte sich mittels Bandschlinge und Standplatzsicherung an einen nahestehenden Baum „gekettet“. Dies sollte uns später sehr zugute kommen.
Der Einstieg wollte mir jedoch nicht so recht von der Hand gehen. Zittrig kletterte ich 1m hoch und dann wieder abwärts. Hoch, wieder zum Boden. Es war schon nervig. Wie hatte ich das Problem mit der „offenen Tür“ doch gleich die letzten Male gelöst? Bei einem der Aufstiegsversuche hatte ich dann auch noch die Exe in eine dermaßen ungünstige Position geschoben, dass der obere Karabiner sich quer gesellt hatte. Nachdem mein Sicherungspartner mich auf diese missliche Lage hingewiesen hatte (Dank sei ihm dafür), stieg ich die bereits „erkämpften“ 1,5 Meter zum Boden wieder ab. Die Exe wurde gegen einen Schraubkarabiner getauscht- einmal zum Zweck des Sicherheitsgewinns, andererseits aber auch um die Zeit zum Wiedereinstieg noch ein klein wenig zu dehnen. Ja, ja der Kopf.
Also ein neuer Anlauf. Es ging Stück für Stück voran und die erste Schwierigkeit war überwunden. Ein relativ sicherer Stand gab mit die Möglichkeit eine weitere Sicherung in Form eines 0,25-er Friends zu setzten. Aus dieser Position heraus war es noch einmal ein Stück vom gut 1 Meter bis zu einem komfortablen Griff, welcher die Schwierigkeit an dieser Stelle aufgelöst hätte. Doch ich konnte einfach nicht hinkommen. Griffposition ändern, Füße anders setzen – alles brachte keinen Erfolg. Der Kopf meldete sich wieder. Da Angst und Panik bekanntermaßen keine guten Kletterpartner sind, kam das unvermeidliche. Die Hände wurden feucht, die Bewegungen fahrig. Die erreichte Höhe von gut 5 Metern trug ebenfalls nicht zur Beruhigung bei.
Was genau als erstes den Felskontakt in dieser Situation verloren hat, kann ich nicht rekapitulieren. Ein Fuß, die Griffhand… – ich weiß es nicht. Was ich noch weiß, ist, dass es ganz schnell nach unten ging. Zweimal ein kurzer Ruck am Gurt, eine Rolle rückwärts, ein Schlag auf den Hinterkopf und schon fand ich mich etwas unterhalb meines Sicherungspartners auf dem Waldboden sitzend wieder. Der Friend hatte nicht gehalten, der Keil, welcher gleich ein Stück Fels mit aus dem Riss herausbrach, ebenfalls nicht. Gehalten haben mein Sicherungspartner und dessen Standsicherung am Baum.
Schnell bekam ich die richtigen Fragen gestellt. „Wie geht es dir?“ „ Tut was weh?“
Das Erschrecken war bei uns allen spürbar. Gott sei Dank habe ich mir nichts Gröberes getan. Kein Umknicken, kein Beinbruch oder ähnliches (lediglich beim Entkleiden zu Hause wurden Abschürfungen am Gesäß und rechten Schulterblatt entdeckt). Ich nahm den Helm ab, um nachzuschauen, ob daran etwas ersichtlich war, da es schon mächtig am Kopf gescheppert hatte. Die Kunststoffhalterung, welche den Kopf umschließt, war aus ihrer Verankerung in Helm gerissen. Eine ca. 5 mm Eindellung an der Innenseite des Polystyrols markierte die Stelle, an der sich die Kunststoffhalterung mitsamt Kopf gegen den Helm gedrückte hatte. Welche Kräfte dazu nötig sind, einen derart bleibenden Eindruck zu hinterlassen, kann ich nicht beziffern. Bei der Vorstellung, diesen Bodensturz jedoch ohne Helm machen zu müssen, gruselt es mich. Ein Einsatz von Rettungskräften und Bergwacht wären wohl zwingend erforderlich gewesen. Da es bei uns im Harz immer wieder auch bei kleineren Gipfeln und gerade im Frühling zu Felsausbrüchen kommen kann, hatten wir es uns zur Gewohnheit gemacht, IMMER einen Helm zu tragen. Diesem IMMER verdanke ich heute meine Gesundheit, wenn nicht sogar noch mehr. Nicht auszumalen, wenn ich ungeschützt auf den Fels aufgeschlagen wäre. Ich möchte mir nicht vorstellen, was hätte geschehen können, wenn mein Sicherungspartner nur einfach so im Gelände gestanden hätte. Wir wären wohl beide noch einige Meter in Richtung vielbefahrener Touristenstraße gepurzelt.
Es sind manchmal die Dinge, welche wir nicht so richtig auf dem Schirm haben, die über Wohl und Weh einer Sache entscheiden können.
In diesem Sinne bleibt wachsam und…
…save your ass – wear a helmet.
Es freut mich, mal einen Unfallbericht zu veröffentlichen der ohne größere Schäden an Mensch und (Fels-)Material über die Bühne gegangen ist. Ich möchte mich auch nochmal ausdrücklich für den Gastbeitrag des Bergfreunds bedanken. Auf mein übliches “wie hätte man es verhindern können” kann ich diesmal verzichten. Das Risiko wurde korrekt eingeschätzt und es wurden Maßnahmen getroffen das verbleibende Risiko zu minimieren. Fassen wir also nochmal zusammen:
- bei abschüssigen Gelände den Sichernden am Wandfuss sichern
- Kommunikation zwischen den Kletternpartnern und den Partnercheck auch in der Wand weiterführen
- Immer mit Helm, nicht nur im brüchigerem Harz, sondern auch in unserem Sandstein!
Der Helm ist übrigens auch mit nur ein paar Dellen Schrott, und wird selbstverständlich ausgetauscht.
Schreibe einen Kommentar