Konzentriert Sichern

7. Dezember 2014 - Gastbeitrag / Klettern / Unfall

Der folgenden Artikel soll an einen realem Vorfall aufzeigen, wie leicht auch erfahrene und fähige Kletterer völlig unerwartet stürzen können und warum der Sichernde auch in Routinesituation immer 100%-ig bei der Sache sein muss.


Ich freue mich ganz besonders dieses Thema heute in vorm eines Gastbeitrags einer Sportfreundin behandeln zu können. Daher ohne viele Worte zu ihrem Erfahrungsbericht:

“Wir planten einen Kletterausflug, diesmal sollte es in die Türkei, in die Nähe von Antalya gehen. Genauere Angaben kann ich leider nicht mehr machen, da meine Geschichte schon ca. 5 Jahre her ist. Zu dritt flogen wir mit Sack und Pack los. Tolles Klettergebiet mit nettem Zeltplatz. Ich und mein Partner waren ein eingespieltes Team, vielleicht zu eingespielt. Wir kletterten seit 2 Jahren zusammen und uns war bis dato nie etwas passiert. So sind wir nun jeden Tag vom Sonnenaufgang bis Untergang geklettert. Jeden Morgen hatte ich meine Einstiegsroute, eine 6+.

Am Morgen des vorletzten Tages beging ich diese Route im Vorstieg. Mein Partner saß am Boden und hat sich den Rest des Seils angeschaut. Ich kletterte bis zur 3. oder vielleicht auch 4. Exe – kann mich leider nicht mehr genau erinnern – und versuchte diese einzuhängen. Dabei rutsche ich ab und plötzlich lag ich auf dem Boden neben meinem Partner, der mich total entsetzt anschaute.

Das Seil war gespannt, sodass ein Teil des Aufpralls glücklicherweise gedämpft wurde. Wahrscheinlich bin ich 6-8 m gefallen. Seitdem macht sich mein Partner Vorwürfe und wird nie mehr am Boden sitzend sicher oder sich auf etwas anderes konzentrieren.

Fazit: Auch bei jahrelanger Partnererfahrung im Klettern und dem Gedanken “Ahh, das macht die/der doch mit Links” gilt es für den Sichernden sich immer zu konzentrieren, den Kletternden zu beobachten und natürlich beim Sichern nicht zu sitzen!!”

Die Bergfreundin beschreibt ja bereits die Ursache des Unfalls, fassen wir also nochmal zusammen wie dieser Unfall zu vermeiden gewesen wäre und ergänzen einige allgemeine Punkte:

  • Aus Sicht des Kletterers darf auch eine regelmäßig begangene Route nicht zur Routine werden. Man hat ja selber bereits festgestellt, dass Routen, die man zum wiederholten mal begeht, schneller geklettert werden. Damit einher achtet man auch weniger auf die Felsbeschaffenheit. Feuchte oder brüchige Tritte und Griffe bekommen so meist nicht die nötige Aufmerksamkeit.
  • Teil des Partnerchecks, vom Kletterer ausgeführt, ist die Kontrolle der Bereitschaft des Sichernden, und ggf. das Warten auf sein Startsignal. Wenn ihr also das Gefühl hab, dass der Sichernde nicht korrekt steht, vielleicht besser Schuhe anhaben sollte, oder mit einer Standschlinge fixiert sein sollte, weil es dahinter in die Tiefe geht, dann klettert nicht los bevor ihr mit der Gesamtsituation zufrieden seit. Es geht hier um eure Sicherheit.
  • Der Sichernde muss zu jedem Zeitpunkt bei der Sache sein. Seinen vollen Bewegungsspielraum und damit alle Reaktionsmöglichkeiten hat man nur im Stehen. Konkret heißt das meist Schrittstellung, um einen Sturz abzufangen und nicht an z.B. einen Baum gelehnt.
  • Bis zur ersten Exe wird gespottet, d.h. im Fall eines Sturzes zu versuchen den Kletter nicht mit den Kopf zuerst aufschlagen zu lassen.
  • In der Halle besteht bis zur dritten oder vierten Exe, draußen im Bereich bis ca. 8 Meter Erdungsgefahr. D.h. es ist konzentriert und “straff” zu sichern. Dabei darf der Kletterer natürlich nicht behindert oder gar runter gezogen werden.
  • Im anschließenden Bereich, freier Fall vorausgesetzt, werden Fehler des Sichernden und zu viel Schlappseil leichter verziehen. Sollten aber Vorsprünge oder andere Felsstrukuren es erfordern, ist genauso knapp wie in den ersten 8m zu sichern.

Ich habe bewusst noch einen weitere Abschnitt oben hervorgehoben. Trotz aller Bequemlichkeit die das Sichern im Sitzen vermeintlich bringen mag, sollte doch mal was schief gehen, und das kann man einfach nicht ausschließen, werdet ihr euch immer darüber Gedanken machen, ob ein bewussteres Sichern im Stehen und mit der ganzen Bandbreite an Reaktionen vielleicht etwas am Ausgang des Unfalls hätte ändern können. Und nur wenn ihr wisst, das ihr euch nichts vorzuwerfen habt, besteht auch die Chance für euch als Sichernden den Unfall wirklich unbeschadet zu überstehen.

Abschließen möchte ich mich nochmals bei der Sportfreudin für ihren Beitrag bedanken. Wer hier ebenfalls einen Artikel schreiben möchte, kann dies gern via E-Mail an mich oder Kommentar tun.

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